Der Narr sagt in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott.
 (Psalm 14,1)
Der Weise sagt es der Welt.
(Troy Witte)


Irgendwann in der Vorzeit wurden die Götter von den Menschen erschaffen. Manche ihrer Schöpfer wollten vermutlich nur ein wenig übernatürliche Hilfe bei der Nahrungsbeschaffung oder beim Scharmützel mit dem Nachbar-Höhlenclan. Andere strebten vielleicht bereits nach einem Lebenssinn, nach Ausgleich für Leid und Schmerz, nach Einssein mit einem höheren Wesen oder nach ►Unsterblichkeit.

Die Erfindung ►Gottes veränderte die Menschheit mehr als die des Feuers. Wer einen Gott auf seiner Seite wusste, besaß plötzlich einen Vorteil gegenüber dem Gottlosen. Religiöse Rituale schufen Zusammengehörigkeit und bessere Überlebenschancen in einer feindlichen Umwelt. So entwickelte sich der Glaube an Götter und setzte sich fest in den menschlichen Genen. Gottesglaube ist ein natürlicher Zustand, verankert durch Evolution. Er findet sich bei praktisch allen Naturvölkern. Doch auch Gott hat nichts zu verschenken: Als Gegenleistung für die Erfüllung menschlicher Befürfnisse fordert er Unterwerfung unter seine Autorität, Anerkennung von Ersatzautoritäten oder Fetischen, tatsächliche oder symbolische Opfer, Einhalten von Tabus und Befolgen von Geboten. Für die Einhaltung der Pflichten sorgte ein Priester oder Schamane. Dies war der erste spezialisierte Beruf und damit ein Ursprung der Zivilisation.

All dies hört sich so weit nach einem fairen Deal an. Es gibt hierbei nur zwei Probleme.

Das erste Problem ist die Unerkennbarkeit Gottes. Weder in der Beobachtung des ►Universums, noch in der Geschichte der Welt, noch in ihren täglichen Ereignissen findet man bei vorurteilsloser Betrachtung irgendwelche Hinweise auf das Wirken irgendwelcher Götter. Alles verhält sich anscheinend so, wie es sich auch ohne Gott verhalten würde. Da es keinen objektiven Unterschied zwischen einem unsichtbaren und untätigen Gott und einem nichtexistierenden Gott gibt, lässt sich zwischen Existenz oder Nichtexistenz Gottes nicht entscheiden. Diese Erkenntnis bezeichnet man als Agnostizismus.

Das zweite Problem ist die ►Theodizee: Wie können allmächtige, allgütige Götter solches Leiden auf der Erde zulassen oder gar aktiv fördern? Auch versprochene Erlösung hilft hier nicht, denn sie macht kein unschuldiges Folter-, Kriegs- oder Katastrophenopfer ungeschehen. Zudem versprechen die meisten Götter die Erlösung nur ihren Anhängern, so dass der größte Teil der Menschheit ohnehin unerlöst oder gar zur Hölle verdammt ist.

Diese Erkenntnisse geben uns jedoch die Freiheit des Willens. Da Gott unerkennbar ist und keine Erlösung verspricht, steht es uns nunmehr völlig frei, an ihn zu glauben oder nicht. Manche entscheiden sich, weiterhin an Gott zu glauben. Andere entscheiden sich willentlich dagegen. Diese nennt man ►Atheisten.

Was taugt der Atheismus?

Den Deal mit Gott aufkündigen heisst auf alle damit verbundenen Privilegien zu verzichten. Der Glaube war eine Stütze im Kampf gegen die Natur, im Erdulden von Leid, im Hoffen auf Besseres. Atheismus entwendet dem Menschen alle Stützen und nimmt ihm alle Entschuldigungen. Wenn Gott nicht existiert, trägt der Mensch die volle Verantwortung für sein Handeln. Er ist frei und zur Freiheit verurteilt. Zwar muss er sich keinen Autoritäten unterwerfen, doch seine Pflichten werden dadurch nicht kleiner. Denn da ihm das Leben durch bloßen Zufall gegeben wurde, muss er es würdig führen, um ihm einen Sinn zu verleihen.

Ist dies also nur ein Tausch religiöser gegen atheistische Pflichten? Sind Atheismus und Religion moralisch gleichwertig? Gewiss: Wer an Gott glaubt, ist dadurch nicht dümmer, gewalttätiger oder intoleranter als ein Atheist. Man kann aber mit einigem Recht behaupten, dass religiöse Gesellschaften dümmer, gewalttätiger und intoleranter handeln als aufgeklärte Gesellschaften, und dass strenge Religiosität eher die schlechten als die guten Eigenschaften im Menschen bestärkt. Einst Vorteil im Überlebenskampf, ist Religion heute die Wurzel vieler gewalttätiger Konflikte und ein Hemmnis gesellschaftlichen Fortschritts. Machen wir uns nichts vor: Sie ist zu einem ernsten Problem für die Menschheit geworden.

Eine atheistische Welt wäre also vermutlich in vielen Bereichen eine bessere Welt. Dennoch kann man niemandem zum Atheismus 'missionieren'. Den dazu nötigen Erkenntnis- und Entscheidungsprozess muss jeder selbst durchlaufen. Wissen hift. Dieses Wörterbuch soll in kompakter Forum Wissen über Glauben und Unglauben, Gott und die Welt vermitteln. Es ist keineswegs vollständig und wird daher ständig erweitert. Jeder Artikel kann durch Anklicken eines Schlagworts in der Liste links abgerufen werden. Falls Sie Fehler bemerken, bin ich für einen Hinweis auf dem ►Forum dankbar. Ebenso natürlich, wenn Sie Vorschläge für neue Inhalte haben oder über einen Inhalt diskutieren möchten.

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